Mit Wiedehopf, Eisvogel, Säbelschnäbler oder Brachvogel könnte man ihn in eine Gruppe der „Unverwechselbaren“ einordnen. Sein Alleinstellungsmerkmal sind eine Kombination aus markanter Federholle, markanten Rufen und spektakulärem Revierflug mit fliegerischen Kapriolen. Weitere charakteristische Kennzeichen des ansonsten schwarz-weiß wirkenden, taubengroßen Vogels sind das im Licht metallisch glänzende Gefieder und das Flugbild mit den brettartigen Flügeln, die beim Balz- und Revierverhalten wuchtige Fluggeräusche erzeugen. Den Namen verdankt der Kiebitz seinem Ruf, der lautmalerisch mit „kie-wit“ beschrieben werden kann.
Wo gute Lebensbedingungen herrschen, kann der Kiebitz eine häufige Vogelart sein. Dies war offensichtlich schon vor ca. 5000 Jahren im Niltal so. Aus der vorschriftlichen Gründungszeit des alten Ägyptens findet sich eine der ältesten Darstellungen von Kiebitzen, die als das zahlreiche Volk gedeutet werden, das vom siegreichen König überwunden wurde.
In den Sümpfen, Mooren und Flussniederungen des nördlichen Mitteleuropas war der Kiebitz ebenfalls beheimatet und noch vor Jahrzehnten auch in unserer Kulturlandschaft allgegenwärtig. Die allseits bekannte Aufmerksamkeit des Vogels verschaffte der Redewendung „kiebitzen“ Eingang in unsere Sprache: sie zielt vor allem auf das „In-die-Karten-schauen“ beim Kartenspiel ab.
Als „Vogel des Jahres“ ist gerade 2024 viel Allgemeines über den Kiebitz zu lesen, nachfolgend wird die Bestandsentwicklung dieser Vogelart speziell im Hohenlimburger und Hagener Raum dargestellt.
Viele haben den Kiebitz womöglich noch nie in unserer Region gesehen, und dies ist kein Wunder: war er in den 60er-Jahren noch in den Flusstälern präsent, ist er aktuell als Brutvogel aus Lenne- und Ruhrtal nahezu völlig verschwunden und nun selbst auf dem Durchzug nur noch selten zu beobachten. Auch im restlichen Deutschland kämpft er ums Überleben, seit 1980 ist der Bestand bundesweit um 93 % eingebrochen, Tendenz weiterhin stark fallend. Die „Rote Liste der gefährdeten Brutvogelarten“ dokumentiert den ungebremsten Fortgang des Bestandseinbruches der Agrarvögel in NRW, in der sich auch der Kiebitz findet, der zunächst in Kategorie 3 als „gefährdet“ geführt wurde, aber seit 2017 in Kategorie 2 als „stark gefährdet“ und „von Schutzmaßnahmen abhängig“ eingestuft wird. Aktuell ist die Art in Teilen NRW's verschwunden, es zeigen sich bereits Verbreitungslücken.
Zugbeobachtung
Nur noch während der Zugzeit bestehen Chancen auf eine Beobachtung des Kiebietzes in der Hagener Region, die im Frühjahr von März bis Ende April und im Herbst von September bis Ende Oktober andauert. Im Frühjahr kann es während des Heimzuges bei plötzlichen Wetterumschwüngen mit Schnee und Eis zu eindrucksvollen Ansammlungen bei einer sogenannten Zugumkehr südwärts oder einem Zugstau mit tagelanger Rast kommen („Winterflucht"). Dies war der Fall vom 24. bis 28. März 2013, als auf der Holthauser Hochfläche, an der Schälker Landstraße, dem Lichtenböcken, in Garenfeld sowie dem Lenne- und Ruhrtal Trupps um die jeweils 100 rastende Kiebitze beobachtet werden konnten, insgesamt wurden mindestens 600 gleichzeitig rastende Kiebitze geschätzt. Diese Zahlen erinnern an früher gewöhnliche Zugbeobachtungen, als z. B. Ende September 1984 allein im heutigen NSG „Ruhraue Syburg“ 390 Kiebitze rasteten. Im heutigen Zuggeschehen des Hagener Raums sind Truppstärken von 30 Tieren bereits die Ausnahme.
Historische Brutvorkommen
Unter der Überschrift „Verlockende Kiebitzeier“ findet sich in der Wetter'schen Zeitung vom 28. April 1938 der wohl älteste Hinweis auf Bruten im Hagener Raum: „Auf den Hülsberg'schen Wiesen … suchte am vergangenen Sonntagnachmittag ein Freund dieser Delikatesse die Aufenthaltsorte der Vögel ab". Die den Bereich um Gut Hülsberg im Ruhrtal betreffende Notiz lässt nebenbei darauf schließen, dass seinerzeit Verluste selbst durch das Eiersammeln von den Bruterfolgen der Kiebitze ausgeglichen werden konnten.
Vogelkunde war in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts keine verbreitete Tätigkeit, so dass Informationen zur Vogelwelt dementsprechend selten sind und umfassende Kenntnisse zur Avifauna fehlen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die damals landwirtschaftlich geprägten Flusstäler durchweg von Kiebitzen besiedelt waren. In einzelnen Veröffentlichungen findet man konkrete Hinweise, so berichtet Schäfer über Bruten im Jahr 1948 „am Zusammenfluss von Lenne und Ruhr“, und Schücking zählte 1963 noch bis zu 20 Bruten in den Wiesen bei Halden, Kabel, Westhofen und in den Kläranlagen bei Vorhalle. Bereits 1998 schreibt Schönberger von nur noch wenigen Paaren auf dem Böhfeld, die dort regelmäßig brüten, allerdings schon mit abnehmender Tendenz.
Ehemalige Brutplätze
Für ein Brutvorkommen im südlichen Bergland unserer Region gibt es keine Hinweise oder Beobachtungen, diese beschränken sich auf die Flusstäler und deren angrenzenden Flussterrassen.
Werdringen – letzte Brut 1989
In den landwirtschaftlichen Flächen um das Wasserschloss am Harkortsee konnte letztmalig 1989 Brutvorkommen festgestellt werden, zwei Paare führten zwei bzw. vier Küken.
Böhfeld – letzte Brut 1992
Auf diesem Ackerland südlich des Hengsteysees ist bereits aus dem Jahr 1975 der Fund eines Vollgeleges übermittelt. Allein dort schätzten Vogelkundler den Kiebitzbestand noch 1988 auf ca. fünf Brutpaare, doch schon vier Jahre später wurde letztmalig eine einzelne Brut festgestellt.
NSG Ruhraue Syburg – letzte Brut 1997
Die Fauna der Ruhraue Syburg ist seit Herbst 1983 gut dokumentiert, von Beginn an konnte hier der Kiebitz als Brutvogel festgestellt werden. Revieranzeige in nahezu jedem Jahr und Kopula in 1984 und 1987 waren Hinweise, ein Paar mit vier frisch flüggen Jungvögeln jedoch ein Beleg für ein Brutvorkommen 1991. Ein letzter Brutnachweis gelang hier durch den Fund eines Geleges auf dem Acker des heutigen Naturschutzgebietes, dort verteidigten drei Paare die Gelege (oder Küken?) gegen Rabenkrähen.
Lennetal bei Halden – letzte Brut 1998
Hier fanden ebenfalls regelmäßig Bruten statt, 1988 wurde in einem Regenrückhaltebecken eine Brut mit drei Küken nachgewiesen. Auch 1989 wurde ein Paar beobachtet, zu einem Brutnachweis kam es jedoch erst wieder 1998 (Paar mit drei Jungen).
Lennetal bei Reh/ Berchum – letzte Brut 2000
Das noch 1975 von Viehweiden und Wiesen bestimmte Lennetal wandelte sich nach der Eingemeindung der Stadt Hohenlimburg zum Gewerbegebiet, zuvor war es von mehreren Kiebitzpaaren besiedelt. Mit Umgestaltung der Landschaft verringerte sich der Bestand, bis 1991 nur noch ein Paar mit zwei Küken beobachtet werden konnte. Im Jahr 2000 zog ein letztes Brutpaar auf einer verbliebenen Brachfläche vier Jungvögel groß.
In den oben genannten Gebieten sind nach der letzten nachgewiesenen Brut immer wieder neben rastenden Einzelvögeln auch Paare während der Brutzeit sogar mit revieranzeigendem Verhalten beobachtet worden, doch blieb es bisher bei lediglich einzelnen oder nicht brütenden Paaren.
Brutvorkommen innerhalb der letzten zehn Jahre
Vorhalle „Auf der Bleiche“ – letzte Brut 2013
Bereits aus den Jahren 1999 und 2000 bestehen mit der Beobachtung von Küken sichere Brutnachweise für dieses Gebiet im Ruhrtal nahe Wetter. Mit dem Anbau von Mais waren in den folgenden Jahren zwar balzende Paare anwesend, aber deren Bruten gingen offenbar durch die Art der Bewirtschaftung verloren. Noch 2012 wurde ein Paar im Revierflug beobachtet, für 2013 gibt es noch einen Bruthinweis, leider ohne Nachweis einer erfolgreichen Brut.
Untere Lennetal Fley – letzte Brut 2018
Am Notfallschlammplatz der Kläranlage fand vom 27. April bis 24. Juli 2012 eine erfolgreiche Brut mit einem flüggegewordenen Jungvogel statt. In den darauf folgenden zwei Jahren wurden balzende Paare beobachtet, jedoch erst 2015 gelang eine Beobachtung eines Paares mit zwei Küken. Auch 2016 wurde ein Paar mit zwei Jungen auf der Ackerfläche südlich der Kläranlage beobachtet, letzte Beobachtungen von brütenden Kiebitzen im Lennetal Fley fallen in das Jahr 2017 und 2018.
Garenfeld und Steinbergtal – letzte Brut 2020
Am 29. März 2010 konnten Schwerter Vogelkundler auf dem Steinbergacker bei Garenfeld drei Paare beobachten, von denen zwei fest brüteten. Auch hier waren seitdem nahezu alljährlich Kiebitze zur Brutzeit anwesend, vor allem in den seinerzeit dort angelegten Erdbeerfeldern, aber zu einer Brut kam es erst wieder 2020, bei der es sich zugleich um die vorerst letzte Brut in Hagen handelt. Die Erstbeobachtung gelang hier am 25. März mit einem Nahrung suchenden Kiebitz in den Felder südlich des Dorfes, tags darauf wurden vier beim Scharren von Nestmulden beobachtet, und auch in den folgenden Tagen befanden sich zwei Paare in Revierstreitigkeiten und beim „Nestmuldezeigen“. Ab 30. März war es jedoch nur noch ein Paar, das ab 15. April ein Gelege bebrütete. Anfang Mai wurden Abwehrattacken auf Rabenkrähen geflogen, am 3. Mai schlüpften die Jungvögel. Noch am 9. Mai führte ein Altvogel mindestens einen Jungvogel und verleitete eine Rabenkrähe.
Durch die Zahlung einer Nutzungsentschädigung durch den NABU-Hagen an den entgegenkommenden Landwirt konnte ein Bereich um das Nest herum aus der Bewirtschaftung genommen und so der Brutplatz als Voraussetzung einer erfolgreichen Bebrütung gesichert werden. Doch möglicherweise war die geschützte Fläche für die nestflüchtenden Küken zu klein, so dass deren Überlebenschancen letztendlich ungewiss waren.
Ursachen des Bestandsrückgang
Der Niedergang der Kiebitzbestände betrifft nicht nur Hagen, sondern zeigt sich auch in dem uns benachbarten Märkischen Kreis. Aus diesem Gebiet mit viel größerer Fläche sind aus den letzten zehn Jahren sehr wenig Bruten bekannt, bei denen es sich anscheinend um die letzten nachgewiesenen Bruten im Märkischen Kreis handelt. 2014 fanden Bruten nur an zwei Brutplätzen statt: eine bei Menden Hüingsen, im gleichen Jahr konnten auf der Halinger Heide bei Menden fünf brütende festgestellt werden, 2019 brüteten hier zwei Weibchen.
Diese kreis- und landesübergreifenden Bestandsrückgänge haben sowohl regionale als auch überregionale Ursachen.
Landwirtschaft
Kiebitze können bis zu 24 Jahre alt werden, der Rekord eines beringten Vogel lag bei 21 Jahren, die statistische Lebenserwartung beträgt im Schnitt fünf Jahre. Doch auch langlebige Vögel müssen beizeiten durch eine ausreichende Anzahl Jungvögel ersetzt werden, um den Bestand nicht sinken zu lassen. Um diesen auf einem gleichbleibenden Niveau zu halten, müsste ein Paar rein rechnerisch 0,8 Jungvögel pro Brut großziehen, doch wie viele andere Bodenbrüter der Feldflur erreicht der Kiebitz dies heutzutage nicht mehr, so dass der Bestand ständig und rapide sinkt. Die Ursachen dafür sind bekannt. Bei einer intensiven Landwirtschaft mit ganzjähriger Stallhaltung muss das Futter von überdüngten Wiesen herbeigeschafft werden, bei der notwendig vielfachen Mahd im Jahr werden Gelege und Nester unweigerlich direkt zerstört, für ein Hochkommen einer Brut ist das Zeitfenster zwischen den Mahdereignissen zu klein. Darüber hinaus sorgt diese Bewirtschaftung für Wiesen ohne Blütenpflanzen und ohne Insektenleben. Gleichzeitig fehlt das Vieh auf der Weide, welches nicht nur das Gras kurzrasig hält und damit dem Kiebitz Nahrungszugang zu Bodenlebewesen verschafft, sondern mit natürlichem Mist und den darin lebenden Insekten auch hilft, etwaige Nahrungsengpässe zu überbrücken. Zusätzlich verliert der Kiebitz durch Maisanbau zur Futtermittel- und Energiegewinnung geeigneten Lebensraum.
Anreicherung von Pestiziden auch im Boden
Sinkende Ertragspreise für den Landwirt begünstigen die Entscheidung einer Bewirtschaftung mit Einsatz von Giften. Der dramatische Rückgang der Insekten wirkt sich direkt auch auf die Nahrungsverfügbarkeit des Kiebitzes aus und ist 2024 erneut durch die aktuelle bundesweite „Zählaktion Schmetterlinge“ des NABU bestätigt worden. Neben den Insektengiften wie den Neonikotinoiden, die Desorientierung hervorrufen, wird aktuell das pilzbekämpfende Fungizid Fluopyram diskutiert. Es wurde festgestellt, dass es sich im Boden anreichert, infolgedessen würden die Bedingungen für darin lebende Kleinlebewesen verändert, was sich über die Nahrungskette direkt auf Kiebitze auswirkt. Da selbst Naturschutzgebiete von diesen Giften belastet sind, liegt auf der Hand, dass sie - wie bei der Überdüngung auch - beim Ausbringen über die Luft verfrachtet werden.
Prädation
Ökologisch betrachtet sind Kiebitze keine „Endverbraucher“ und haben demnach natürliche Feinde. Bei den Vögeln sind hier an der Küste vor allem Möwen zu nennen, bei uns sind es eher Greif- oder Rabenvögel, unter den Säugetieren sind dies Füchse und Marder. Schon immer fallen ihnen Eier und Jungvögel zum Opfer, jedoch ist der Bestand in Jahrtausenden nicht bedroht worden, vor allem da in den ehemals noch reich strukturierten Landschaften genügend Gelegenheiten zur versteckten Anlage des Bodennestes und reichlich Nahrung vorhanden waren.
Die Brut kann von Bodenbrütern erfolgreich geschützt werden. Auf einer Nordseeinsel konnte in einem gut besiedelten Brutgebiet mit Kiebitzen, Uferschnepfen, Austernfischern, Rotschenkel und Brachvögeln mehrfach beobachtet werden, wie sich diese erfolgreich gegen einen hohen Bestand an Silber- und Heringsmöwen sowie einige Küken jagende Rohrweihen behaupteten. Dabei erfolgten gemeinsame, heftige Attacken auf die Beutegreifer, die nur das Heil in der Flucht suchen konnten. Eine derart wirksame Verteidigung der Brut ist wohl kaum durch ein einzelnes Brutpaar zu erreichen. Daraus folgt ein fataler Sachverhalt: je weniger Vögel das Brutgebiet gemeinsam gegen Prädatoren verteidigen, desto weniger Jungvögel werden aufwachsen, womit in den Folgejahren die Zahl der brütenden Vögel weiter abnimmt. Dieser sich selbst verstärkende Prozess (negative Rückkopplung) führt mit zunehmend erfolgreicher Prädation zu einer fortschreitenden Ausdünnung der Brutpopulation.
Ein erfolgreicher Brutplatz des Kiebitzes ist demnach ein Gebiet mit vielen weiteren Kiebitzrevieren und weiteren, ihre Brut aktiv verteidigende Brutvogelarten. Aus Sicht des Vogelschutzes muss deshalb die Zerstückelung von Lebensräumen vermieden und große Flächen mit potenziell vielen Brutrevieren gesichert oder gar wiedergewonnen werden, um ein Höchstmaß an Vogelarten und Individuen beherbergen zu können. In bereits beeinträchtigten Landschaften kann diese Lebensraumaufwertung der Prädation entgegenwirken.
Direkter Verlust des Lebensraumes
Auch wenn aufgrund der Topographie der Kiebitz nie eine häufige Vogelart in Hagen gewesen ist, konnte er regelmäßig mit mehreren Brutpaaren in den Flusstälern nachgewiesen werden. Doch deren Umwandlung von extensiv genutzten Agrarlandschaften zu anderen Nutzungen hat dies grundlegend geändert.
Seinen Anfang nahm dies wohl schon 1927 mit der Flutung der Ruhrwiesen, als die Ruhr zum Hengsteysee aufgestaut wurde, um nun als unteres Speicherbecken für das Pumpspeicherkraftwerk („Koepchenwerk“ RWE) zu dienen. Auch die damals noch zu Hohenlimburg gehörenden Bereiche des Lennetals bei Reh und Berchum wurden bis Ende der 80er-Jahre landwirtschaftlich genutzt, auf den Viehweiden weideten noch Rinder. Bis in die 70er-Jahren konnte man hier noch regelmäßig die Balzflüge der Kiebitze sehen. Bei der Umwandlung zum Gewerbegebiet - einer der Gründe für die Eingemeindung der Stadt Hohenlimburg nach Hagen - folgte die Stadt Hagen Anfang der 90er-Jahre zunächst der Empfehlung des Landschaftsbeirates, wenigstens die Bereiche östlich der Verbandsstraße bei Reh frei zu halten, doch auch diese wurden samt Kiebitzbrutplatz einige Jahre später überbaut. Heute ist das untere Lennetal bis an die Lennemündung verbaut, es fehlt an einer Biotopvernetzung mit ökologischen Trittsteinen und naturnahen Korridoren, die diese miteinander verbinden.
Dieser direkte Verlust an Landschaft ist in Hohenlimburg und Hagen ein wesentlicher Grund für den Untergang des Kiebitzbestandes in unserer Region. Mit ihm verschwanden aber auch Vogelarten mit ähnlichen Lebensraumansprüchen wie Rebhuhn, Schwarzkehlchen, Feldlerche und Wiesenpieper wohl für immer aus diesem Bereich. Sie finden sich heute landes- und bundesweit auf der Liste der bedrohten Vogelarten, denn der Landschaftsverbrauch durch Umwandlung von landwirtschaftlichen Flächen z.B. in Gewerbegebiete findet bundesweit statt.
Ausblick
Der Kiebitz ist nach 1996 ein zweites Mal zum Vogel des Jahres gekürt worden. Die Vorschläge der Kandidaten zur Wahl kamen mit Uferschnepfe, Brachvogel, Wiesenpieper und Feldlerche allesamt aus den Reihen der Feldvögel, nach den Vogelarten der Vorjahre ist wieder eine Vogelart der Offenlandschaft „Vogel des Jahres“ geworden. Dies zeigt sowohl die Dringlichkeit des Schutzes von Offenlandschaften inclusive dessen Flora- und Fauneninventar, bedauerlicherweise aber auch die Wirkungslosigkeit der Schutzbemühungen, denn die Zerstörung von landwirtschaftlich geprägter Kulturlandschaft findet offensichtlich fortgesetzt und ungehindert statt.
Aufgelegte Förderprogramme zur Anlage von halbhektargroßen Brachinseln in der Feldflur als Brutplatz für Kiebitze, Feldlerchen & Co sind wichtige Instrumente zur Erhaltung dieser Arten, sie müssen wahrgenommen und unbürokratisch umgesetzt werden. Allein das wird nicht reichen, insgesamt braucht es auch in der Breite mehr extensiv bewirtschaftete Ackerflächen und Wiesen. Hier kann der Verbraucher durch den Einkauf naturverträglich hergestellter Lebensmittel indirekt eine naturnahe Landwirtschaft mit mehr blühenden Wildkräutern fördern, womit er auch andere Feldvogelarten wie Rebhuhn, Feldlerche & Co unterstützen würde.
Von den Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung wird nach Verlust von Feuchtgrünland in überschwemmungsreichen Flussniederungen nun wenigstens der Erhalt der bestehenden Reste einer landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft erwartet. Eine der letzten landwirtschaftlichen Flächen, die Feldvogelarten wie dem Kiebitz ausreichend Platz gewähren, befindet sich am Böhfeld südlich des Hengsteysees. Einst eines der letzten traditionellen Brutgebiete des Kiebitzes auf Hagener Stadtgebiet, ist es aktuell der letzte Brutplatz einer kleinen Feldlerchenpopulation in Hagen. Dennoch bestehen Absichten, auch dieses Gebiet einer Gewerbeansiedlung zuzuführen. Der in fünfter Generation arbeitende Landwirt und NABU versuchen gemeinsam, in Kooperation durch geeignete Bewirtschaftung die letzten Feldlerchen, Schafstelzen und Perlmuttfalter auf Hagener Stadtgebiet zu erhalten und haben dabei große Teile der Bürgerschaft hinter sich.
Die o.g. Brut 2020 in Garenfeld zeigt, dass Lennetal und Ruhrtalterrassen bei geeigneten Schutzmaßnahmen immer noch einen Brutplatz für den Kiebitzes bieten könnten, wenn die verbliebenen landwirtschaftlichen Flächen nicht überbaut, sondern erhalten werden. Die Hoffnungen sind auf das Böhfeld gerichtet: vielleicht bietet dieser ehemalige Kiebitzbrutplatz auch Möglichkeiten für aktuelle Bruten?
Literatur
Bund für Vogelschutz Hagen-Herdecke: Ornithologischer Sammelbericht. Cinclus, verschiedene Jahrgänge
Clayton, P. (1994). Die Pharaonen – Herrscher und Dynastien. Düsseldorf 1995
Krahn, L./ Lemke, H. (2024): Vogel des Jahres 2024 - Der Kiebitz. In: Der Falke71, 4/ 2024 S.7-13
Janzing, E. (2009): Kiebitz Vanellus vanellus. In: Arbeitsgemeinschaft Avifauna Hagen: Die Brutvögel Hagens 1997-2008, S. 97
NABU-Hagen: Vogelkundlicher Sammelbericht. NABU-Info, verschiedene Jahrgänge
NABU-Hagen: Vogelkundlicher Sammelbericht. https://www.nabu-hagen.de/vogelbeobachtungen
NABU (2023): Vogel des Jahres. In: Naturschutz heute - Winter 2023, S.8-15
Schäfer, A. (1948): Hagener Vogelleben. Bericht für das Hagener Heimatmuseum. 1. Juni 1948. In: Hohenlimburger Heimatblätter 57 (1996), S.443-452
NABU-NRW (2024): Pressemitteilung Nr. 64/24 vom 26.Juli 2024
Sudmann, S. et al. (2021): Rote Liste der gefährdeten Brutvogelarten Nordrhein-Westfalens, 7. Fassung. In: Charadrius 57, Heft 3-4, S.73-130
Wettersche Zeitung (1938): Verlockende Kiebitzeier. 28. April 1938