Eine Reise zum Gardasee - kein Urlaubsort, wo Vogelmord oder was?
Ein Bericht von Stephan Sallermann
Seit Jahren befindet sich Norditalien zunehmend im Trend von Urlaubsreisen. So können immer mehr Personen aus dem Bekanntenkreis eines jeden von den schönen Landschaften, den romantischen alten Dörfern und der tollen Küche dieser Regionen schwärmen. Hierbei geht es vor allem um die Regionen zwischen den Alpen und der Toskana. Der weiter südlich gelegene Teil Italiens hat einen anderen Charakter. Neugierig geworden entschlossen wir uns nun zu einer 8-tägigen Reise zum Gardasee. Italien hatte ich bisher eigentlich weitgehend als Reiseziel ausgelassen, nicht zuletzt auch wegen dem schlechten Ruf der breiten Bevölkerung im ganzen Land Singvögel am liebsten zum Essen auf dem Teller als singend im Garten zu haben.
Weiterhin hat sich in meinem Kopf die Meinung über die Vogelfängerbevölkerung auch relativiert. Es ist ja zunehmend bekannt, dass auf dem Balkan, in Griechenland, Zypern und auch in Frankreich zu vielen Zeiten Vögeln aller Art mit den schlimmsten Methoden nachgestellt wird. Ganz extrem ist das ja offensichtlich in Nordspanien und Nordafrika. Auf Details will ich hier an dieser Stelle nicht eingehen, es ist ja schon sehr viel darüber in den verschiedensten Medien berichtet worden. Die Abartigkeit der Fangmethoden lässt jeden Naturliebhaber erschaudern. Malta als Obersünder in dieser Hinsicht nenne ich zuletzt, denn hier werden ziehende Groß- wie Kleinvögel nur so zum Spaß abgeschossen, ohne Sinn und Verstand und vor Allem ohne Nutzen, nur um aus Spass auf lebende Ziele zu schießen - gut, dass das Schießen auf unerwünschte Menschen dort nicht erlaubt ist.
Nun gut, so was wird dann erst einmal verdrängt, es geht also hin zum Gardasee. Der See liegt von Hagen aus ca 1000 km entfernt und ragt mit seiner nördlichen Spitze in die italienischen Alpen des Trentino hinein. Der Westen gehört zur Lombardei und der Osten zu Venetien. Die Umgebung der südlichen Hälfte wird zunehmend flacher um in der Ebene der Etsch auszulaufen. Dieser Raum wiederum gehört dann zu den nördlichen Landschaftsbereichen der Poebene. Aufgestaut wird der See übrigens von einem riesigen Endmoränendamm aus der letzten Eiszeit.
Da sind wir also hin, und um es vorweg zu nehmen: Es stimmt alles was man über die Gegend so überall erfährt. Tolle Panoramen des Sees in den hohen Bergen, romantische Dörfer mit engen Gassen. Leckere Küche, ganz viel Bardolini und Valpolicella und so weiter. Also wirklich ganz toll. Auch die sehenswerten alten Villen mit ihren wunderschönen Gärten. Überall üppige Vegetation mit mediterranem Charakter durchmischt mit Pflanzenelementen aus der ganzen Welt. Die Berge gehen in die 2000m Regionen. Auch hier, alles wie ein einziger Blumengarten. Almen, die mit ihrer Blumenfülle sicher einzigartig im ganzen Alpenraum sind. Dafür lohnt es sich unbedingt mal hinzufahren.
Allerdings fällt eines sofort auf, Vögel gibt es nur sehr wenige! Im Hochgebirge fliegt noch alles so wie in den anderen Alpen auch. Aber unten, wo die Menschen leben, in den Gärten und den weitläufigen Landschaften-eine große Stille. Eine Landschaft wie im Paradies, aber kaum Vögel. Das fällt sofort auf. Der normal aufgestellte Tourist sieht überall zahlreich den endemischen Italiensperling, auch Amseln fliegen umher. Die Stimmendominanz liegt nahezu vollkommen bei der Mönchsgrasmücke. So das ist das was häufig ist. Girlitz, Stieglitz, Grauschnäpper, alle Schwalbenarten, Mauersegler und div. Rabenvögel gibt es auch. Versteckt noch etwas mehr, ich will hier jetzt nicht eine Artenliste zitieren, aber es fällt eben auf, viel ist im Ganzen nicht da., Interessant viele Schwarzmilane dominieren den Himmel, auch sonst dort kaum was. Eine Artenvielfalt mit großen Populationen sucht man vergebens. Wir gehen oft Stunden in der abwechslungsreine Kulturlandschaft in der fast nichts fliegt und singt. Auffällig war hier nur im SW Bereich eine recht große Dichte an Halsbandschnäppern. Was nichts besagt, im Grunde ist da nicht viel los obwohl die Landschaft ja so ein enormes Potential hat.
Eine Erklärung fanden wir dann während eines recht langem Rundweg im Hinterland von Salo`. Diese Gegend liegt im SW, im schon etwas flacherem Teil, der zur Lombardei gehört. Eine Landschaft wie im Bilderbuch. Hügel, Berge, Orchideenwiesen, klare Bäche, ein Wasserfall, Schmetterlinge und andere Insekten, auch Reptilien fühlen sich in dem Mosaik von Gärten, Natur belassene Wäldchen in allen Altersklassen und der extensiven bäuerlichen Kulturlandschaft offensichtlich sehr wohl. Wo die Vögel bleiben haben dann wir an zwei verschiedenen Stellen ausmachen können. Ohne eine Not darin zu haben diese zu verbergen, befindet sich geradewegs auf einem Gebirgskamm direkt an einem Überlandwanderweg gelegen eine komplette Vogelfangstation. Allerdings ohne Netze. Die verbleiben dort wohl nicht immer. Die Anlage kann jeder besichtigen, am Wanderweg 17, amGebirgssattel: Sasso La Stacca etwas oberhalb vom Dorf Serniga gelegen. Also wir waren schockiert, hatte ich doch stets von diesen Dingen nur gelesen, hier war nun so eine abscheuliche Anlage. Komplett ausgerüstet: Ein Häuschen für den Fänger, meterlange Spaliere für die Netze, an den Standpfosten überall Vorrichtungen zum Aufhängen der Lockvogelkäfige, Unten überall eingegrabene Plastikeimer mit 10cm groß gelochten Deckeln als Ablageplatz für die gefangenen und getöteten Kleinvögel. Ein schlimmer Anblick, der schockierte. So offen und selbstverständlich. Direkt an einem Weg, den immer wieder Menschen passieren. Offenbar regt das niemanden auf. Wie schlimm das ist, so ohne jede persönliche Not mit unseren freilebenden Vögeln umzugehen. Wir setzen hier bei uns alles in Bewegung die Artenvielfalt zu erhalten und dort töten die Menschen alles was umherfliegt, nur so aus Sport. Ich kann gar nicht wiedergeben wie angewidert ich war. Nach dem wir uns dann einigermaßen gefangen hatten ging es auf dem Weg weiter. Kaum eine Stunde später fanden wir eine weitere Anlage unweit neben dem Wanderweg. Diese war viel größer und noch vielseitiger, auch für größere Vögel geeignet. Dort gab es zusätzlich Fangkörbe und Reusen, in denen Turteltaubenlockvögel aus Kunststoff eingesetzt waren. Schlimm, das alles nur auf einem Weg von vier Std. Wie viele Anlagen haben wir gar nicht entdeckt. Der stumme Frühling fand hier seine traurige Begründung.
Wie jeder mit dieser traurigen Wahrheit umgeht, bleibt jedem selbst überlassen. Kann man eine Gesellschaft, deren Menschen diesen Frevel ohne ein schlechtes Gefühl zu haben allgemein toleriert überhaupt noch sympathisch finden?
Unter "Vogeljagd in Italien" kann über jede Suchmaschine einiges zu diesem Thema gefunden werden. Natürlich auch über die anderen Länder, in denen so was Tradition ist.
Anschrift des Verfassers:
58093 Hagen
Röhrenspring 28
Bild 1 - Anlage mit den Gerüsten für die Netze, an den senkrechten Pfosten sind Plätze für die Lockvogelkäfige aus abgewinkel- tem Blech zu erkennen
Bild 2 - Wegweiser direkt vor der Anlage
Bild 4 - Hütte für den Fänger
Bild 5 - Am Fuß der Pfosten im Boden eingelassene Eimer zur Ablage der erlegten Vögel
Bild 6 - Ein Teil der Anlage
Bild 7 - Fangkäfige, in denen Lockvögel gesperrt werden
Bild 8 - Die getarnte Vogelfänger- hütte
Bild 9 - Eine Fangreusenanlage
Bild 10 - Eine Plastiktaube als Lockvogel
Bild 11 - Zwischen den Spalieren Plätze für Lockvogelkäfige, die vor die abgewinkelten Bleche gehangen werden, so sollen die Stimmen der Lockvögel verstärkt werden.
Bild 12 - Detailaufnahme der Plätze für die Lockvogelkäfige